Für Menschenwürde in der Arbeitswelt

Erklärung von Vorstand und Kuratorium
der Stiftung ethecon vom 01. April 2006

Gegen Profitgier und Ausbeutung – für Menschenwürde und Gerechtigkeit. Stiftung ethecon unterstützt die Kämpfe der betrieblichen und sozialen Bewegungen.

1990 erklärte der Kapitalismus sich zum Sieger der Geschichte. Seither wurden nicht nur die realen Einkommen abgesenkt, sind nicht nur die sozialen Systeme zerstört worden, wurde nicht nur die Arbeitshetze durch Arbeitszeitverlängerung und Flexibilisierung ins Unerträgliche gesteigert, sind nicht nur Millionen und Abermillionen Arbeitsplätze und die Systeme betrieblicher Ausbildung vernichtet worden, wurden nicht nur Kultur und Bildung ruiniert, sind nicht nur die Menschenrechte und die internationalen Rechtssysteme pervertiert worden, wurden nicht nur Repression und Überwachung eskaliert, wurde nicht nur Krieg und Rüstung maßgebliche Maxime der Politik, ist nicht nur der Umweltschutz auf den hintersten Platz aller Prioritäten verbannt worden – nein, seit 1990 sind vor allem die Profite in unvorstellbarem Ausmaß explodiert. Seit nunmehr 15 Jahren melden die Konzerne unverändert jährlich neu Rekordprofite. Daran ändern auch die Firmenzusammenbrüche aufgrund von Spekulation und illegaler Machenschaften nichts.
 
Seit Ende der 90er Jahre wächst weltweit der Widerstand gegen diese Entwicklung. Äußerte sich diese Gegenwehr zunächst nur in einem Anschwellen sozialer Bewegungen, so hat sie mittlerweile in Venezuela und Bolivien mit Machtwechseln hin zu antikapitalistischen Regierungen auch auf politischer Ebene ihren Niederschlag gefunden. In Europa hat die Unzufriedenheit auf breiter Front die Betriebe erreicht. In allen Ländern Europas befinden sich Millionen Menschen in Kämpfen zur Sicherung menschenwürdiger Lebens- und Arbeitsbedingungen.
 
Das Kapital und die von ihm gesteuerte Politik zeigen sich hart, sie wollen den Widerstand brechen und keine Abstriche am Profitdiktat hinnehmen. Zwar fehlen den Kämpfen noch internationale Koordination und politische Zielsetzung, doch eskaliert die Auseinandersetzung beispielsweise in Frankreich und steuert dort auf den Sturz der Regierung zu.
 
Auch in Deutschland wissen die Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben und auch im öffentlichen Dienst nach Einführung von Hartz IV genau, dass ein eventueller Arbeitsplatzverlust gleichbedeutend ist mit Armut und sozialer Isolation. Entsprechend ist die Bereitschaft in den Betrieben gestiegen, für den Erhalt der Arbeitsplätze, für die Abwehr weiterer sozialer Verschlechterungen bzw. für die Sicherung sozialer Standards und letztlich für die Würde des Menschen zu kämpfen. Die Streikwelle, die seit Monaten durch Deutschland rollt, ist beispiellos und noch lange nicht am Ende.
 
Die Menschen sind von der kapitalistischen Wirtschaftsweise bitter enttäuscht. Sie sehen sich der anonymen Macht des Kapitals ausgeliefert, das in seiner Gier nach immer mehr Profit jede Moral und jede Ethik in den Boden stampft. Vor keiner Perversion schreckt das Kapital zurück. So melden die Konzernen neuerdings Verluste, wenn die Profite unter die von den Konzernvorständen selbst festgelegte Margen von 15, 20 oder mehr Prozent – nach Steuern, versteht sich – abzusinken drohen. Sogenannte Private-Equity-Firmen kaufen gut gehende Firmen auf, pressen sie innerhalb kurzer Zeit für Maximal-Profite von 20 und mehr Prozent aus wie Zitronen und ruinieren sie so bis hin zum Konkurs. Die Gefahr von weiteren Kriegen im Interesse der Profite bis hin zu Atomschlägen steigt täglich. Selbst die bürgerliche Presse spricht immer öfter von „Raubtierkapitalismus“.
 
„ethecon – Stiftung Ethik & Ökonomie“ wirkt entsprechend ihrer Satzung für die „Beachtung ethischer, ökologischer, sozialer und menschenrechtlicher Prinzipien bei Organisation und Durchführung ökonomischer Vorhaben.“ Entsprechend stellen Kuratorium und Vorstand von ethecon sich solidarisch auf die Seite der kämpfenden Menschen in den sozialen Bewegungen und den Betrieben. Diese Kämpfe gehen uns alle an. Erklären wir uns solidarisch mit den Streikenden. Schließen wir uns dem Widerstand an, unterstützen wir den Widerstand nach Kräften. Gegen Profitgier und Ausbeutung – für Menschenwürde und Gerechtigkeit
 
Berlin, den 01. April 2006