»Ein Kind, das an Hunger stirbt, wird ermordet« – mit dieser Aussage schockierte Jean Ziegler vor kurzem die Öffentlichkeit. In der ihm eigenen Direktheit lenkte er mit dieser drastischen Aussage den Blick auf die strukturellen Ursachen von Hunger in einer Welt des Überflusses. Das Zitat ist typisch für den streitbaren Schweizer: In seinem unbestechlichen Einsatz für Gerechtigkeit und gegen Ausbeutung nimmt er kein Blatt vor den Mund.
Mit dieser Haltung ist Jean Ziegler ein guter und würdiger Preisträger der Stiftung ethecon – Stiftung Ethik und Ökonomie. Die in dieser Stiftung engagierten Menschen wollen das Gleiche wie Jean Ziegler: Ethische, ökologische, soziale und menschenrechtliche Prinzipien müssen in unserer Gesellschaft und in unserem Wirtschaftsleben Vorrang vor Gier, Gewinnstreben und rücksichtloser Ausbeutung der Schwächeren haben. Als Nationalrat im Schweizer Parlament und UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung hat sich Ziegler immer wieder für diese Prinzipien stark gemacht und tut dies heute auch weiterhin als Privatmann genauso.
Dem internationalen Kinderhilfswerk terre des hommes fühlte sich Jean Ziegler von je her verbunden. In seinem Buch »Das Imperium der Schande« aus dem Jahre 2005 beschreibt er seine Begeg-nung mit dem Gründer von terre des hommes Schweiz, Edmond Kaiser. Ihn berührt, was Edmund Kaiser angesichts der Not in der Welt sagte: »Würde man den Deckel vom Kessel der Welt heben, so würden Himmel und Erde zurückweichen vor diesem Wehgeschrei. Denn weder die Erde noch der Himmel, noch irgendeiner von uns vermag wirklich das entsetzliche Ausmaß des Leidens der Kinder zu ermessen, noch die Wucht der Gewalten, von denen sie zermalmt werden.« terre des hommes und Jean Ziegler haben sich auf unterschiedliche Weise, mit unterschiedlichen Ansätzen und in verschiedenen Funktionen seit Jahrzenten dafür eingesetzt, dass sich an dieser beschriebenen Situation etwas ändert. Jean Ziegler als wortgewaltiger Diplomat, Politiker und Publizist, terre des hommes als Hilfswerk und Bürgerinitiative von engagierten Menschen, die angesichts von Not und Elend nicht tatenlos bleiben wollen, sondern sich für politische Veränderungen, aber auch mit Spendenaufrufen für Hilfsprojekte für die Überwindung von Not und Ungerechtigkeit einsetzen.
Manchem mag die Rhetorik von Jean Ziegler oder das Reden über weltweite Gerechtigkeit und Solidarität nicht mehr zeitgemäß erscheinen. Dabei ist seit Zieglers drastischen Worten in dieser Welt nichts besser geworden – im Gegenteil: Die Kommerzialisierung von Nahrungsmitteln hat ungeahnte Formen angenommen, als Spekulationsgut an den Börsen, durch »land grabbing« in afrikanischen Ländern. Nahrung wird zum Wirtschaftsgut, Land zum Privatbesitz – die Menschen bleiben außen vor, müssen hungern. Kinder sind von dieser Situation besonders betroffen. Es wurden Schutzschir-me für Banken und »systemrelevante« Finanzinstitutionen aufgespannt, nicht jedoch für diejenigen, die die Krisen zwar nicht verursacht haben, unter ihnen jedoch am meisten leiden – die Ärmsten dieser Welt. Dies nicht hinzunehmen, hiergegen zu protestieren und für die Schaffung weltweiter Gerechtigkeit zu streiten – in dieser Überzeugung sind sich Jean Ziegler, ethecon und terre des hommes einig. Dass unsere Initiativen und Organisationen von vielen Menschen getragen werden, die im Sinne von Jean Ziegler denken und handeln, macht Mut!