Veränderung statt Caritas – Gründer möchte mit ethecon-Stiftung die Welt verändern
Wirtschaft und Gesellschaft werden zunehmend von den großen multinationalen Konzernen geprägt. Die Stiftung ethecon will deshalb Ethik und Ökonomie zusammen bringen. Dazu werden regelmäßig Tagungen und Preisverleihungen organisiert.
»Ich trete auf der ethecon Tagung auf, um Gesicht zu zeigen. Mir ist es wichtig, dass Menschen mir in die Augen sehen und ich ihr Feuer erkennen kann. Das stärkt meinen Willen und zeigt mir, dass ich nicht alleine bin.« So begründet der Rapper Kern seinen Auftritt bei der Verleihung der beiden internationalen ethecon-Preise am 19. November im Berliner Pfefferwerk. Es ist mittlerweile die sechste Preisverleihung.
Seit 2006 verleiht ethecon den Positivpreis Blue Planet Award und würdigt damit einen außerordentlichen Einsatz zum Erhalt und zur Rettung des Planeten. In diesem Jahr geht der Preis an die US-amerikanische Bürger- und Menschenrechtsaktivistin Angela Davis, die den Preis persönlich in Empfang nehmen wird. Damit steht sie in einer guten Tradition. Mit den Positivpreisen hat ethecon in den vergangenen Jahren Diane Wilson aus den Vereinigten Staaten, Vandana Shiva aus Indien, José Abreu und Hugo Chávez aus Venezuela, Uri Avnery aus Israel sowie Elias Bierdel aus Österreich ausgezeichnet.
Der Schmähpreis Black Planet Award, mit dem Verantwortliche für den Ruin und die Zerstörung der Erde markiert werden sollen, geht an Tsunehisa Katsumata und Masataka Shimizu, die als Großaktionäre und verantwortliche Manager des Tepco-Konzern in Japan für ihre Verantwortung für die Atomkatastrophe. In den vergangenen Jahren haben unter anderem Manager der Konzerne Monsanto, Blackwater
und Nestlé diesen ungeliebten Preis bekommen. Es sind bewusst immer Menschen und nicht Institutionen, die mit den Preisen im Positiven wie im Negativen bedacht werden. »Es sind immer einzelne Menschen, die im Guten wie im Schlechten die Verantwortung tragen und die Entscheidungen fällen. Nur zu gerne wird dies vor allem bei ökologischen, sozialen, friedenspolitischen und anderen Verbrechen hinter den Fassaden von Institutionen und »Sachzwängen« verborgen«, ist Stiftungsgründer Schnura-Köhler überzeugt. Die ethecon-Preise sollen Ross und Reiter klar beim Namen nennen.
Kritiker könnten einwenden, dass durch die Konzentration auf Personen die Illusion erweckt werden könnte, man müsste nur die Menschen und nicht die Strukturen ändern, um Gerechtigkeit zu erreichen. Doch als Reformist würde sich der langjährige politische Aktivst Schnura-Köhler keineswegs verstehen. Der 1949 in Hof geborene Betriebswirt wird auf Wikipedia als »Konzernkritiker mit internationalem Wirkungsfeld« bezeichnet. Seit früher Jugend ist er in der DKP aktiv. Er gehörte dem deutschen Koordinierungskreis des Europäischen Sozialforums (ESF) an und war von 1999 bis 2003 jeweils verantwortlich für den Bereich »Multinationale Konzerne« beim ersten ESF 2002 in Florenz und beim zweiten ESF 2003 in Paris. Da blickte er schon auf eine jahrzehntelange politische Biographie zurück. 1978 war er an der Gründung der linken Tageszeitung taz ebenso beteiligt wie 1980 an der Entstehung der Ökobank-Genossenschaft, die inzwischen in der GLS-Bank aufgegangen ist. Auch bei der Gründung und dem Aufbau des Bundesverbands Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) sowie des Pestizid-Aktionsnetzwerkes (PAN) hatte er wesentlichen Anteil. Beruflich arbeitete er in der Geschäftsleitung verschiedener Unternehmen, bevor er sich 1988 selbstständig machte. Bei ethecon kann er betriebswirtschaftlichen Kenntnisse mit politischem Engagement verbinden.
Gemeinsam mit Gudrun Rehmann gründete Köhler-Schnura die Stiftung 2004. Die Preisverleihung ist für sie eine eminent politische Demonstration. Einmal jährlich nehme die Stiftung politisch Stellung zu aktuellen politischen Problemen und Konflikten und verbreitet diese Erklärungen national und international. Jährlich einmal wird in einer großen öffentlichen Vortragsveranstaltung in Berlin ein aktuelles Thema der sozialen Bewegungen in den Mittelpunkt gestellt.
Vom Profit- zum Solidarprinzip
Für die Gründer ist der Name der Stiftung Programm. »Ziel der Stiftung ist es, die Beachtung ethischer, ökologischer, sozialer und menschenrechtlicher Prinzipien im Wirtschaftsprozess zu fördern und durchzusetzen sowie demokratische und selbstbestimmte Strukturen zu stärken.« Da Profit zunehmend zum einzigen Kriterium für das gesellschaftliche Leben und den Umgang mit der Umwelt geworden sei, trete ethecon für einen Wandel weg vom Profitprinzip und hin zu einem Solidarprinzip ein. Der Frage, ob solche Ziele nicht im Kapitalismus illusorisch sind, kann Köhler-Schnura durchaus verstehen. Er betont aber, dass ethecon eine Stiftung ist, die auf den Wandel statt auf karitative Hilfe setzt. »Karitative Fürsorge lindert vielleicht das eine oder andere ökologische, soziale Problem, löst dieses aber niemals endgültig, ist Köhler-Schnura überzeugt. Deshalb würden Spenden gegen den Hunger nie zum Ende der Unterernährung beitragen.
»Hunger kann nur durch eine Veränderung der politischökonomischen Verhältnisse beendet werden«, ist eines der Credos von ethecon. Mit dieser klaren Positionierung macht sich die Stiftung nicht überall Freude. »Je konsequenter auf eine grundlegende Änderung gesetzt wird, desto weniger wird dafür gespendet«, weiß der erfahrene Stiftungsgründer. Schließlich werden ca. 95 Prozent aller Spenden und Zustiftungen im karitativen Bereich geleistet. Mit leuchtenden Kinderaugen, die für »edle Spender« als großes Erfolgserlebnis betrachtet werden, kann ethecon nicht dienen. Wer auf gesellschaftlichen Wandel setzt, braucht eher einen langen Atem als ein gutes Gewissen. Hinzu kommt, dass eine Stiftung wie ethecon nicht die Mittel besitzt, um mit Fernsehspots und auf Großleinwänden auf die Tränendrüse zu drücken. Genau das ist aber auch gar nicht das Ziel einer Stiftung, die mehr auf den Verstand als auf das Gemüt setzt.
Doch für ein Lamento sieht Optimist Köhler-Schnura keinen Grund. »Gemessen an dem Stiftungsvermögen und den begrenzten Mitteln, die uns für Kampagnen und Aktionen zur Verfügung stehen und der Tatsache, dass uns nur eine hauptamtliche Kraft zur Verfügung steht, haben wir bereits viel erreicht.«
Autor: Peter Nowak
Quelle: https://www.neues-deutschland.de/artikel/209442.veraenderung-statt-caritas.html
Die Veröffentlichung des Artikels auf dieser Seite erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Zeitung Neues Deutschland.