Was tun mit dem vielen Geld?

Die armen Unternehmer ersticken an zu hohen Gewinnen.
Klingt nach einem hübschen Sümmchen, das wohl auch für Sinnvolleres verwendet werden könnte. Aber wie immer bei solchen Betrachtungen sollten wir den Blick auf die USA richten, wo der Kapitalismus die ihm angemessenen Dimensionen erreicht. Dort soll laut der Investmentbank Goldman Sachs das Volumen der Aktienrückkäufe in diesem Jahr erstmals die Eine-Billion-Dollar-Marke erreichen. Das ist mehr als das 60-Fache der Summe in Deutschland. Und Apple allein will im laufenden Jahr 110 Millarden Dollar zum Rückkauf eigener Aktien verwenden.

Der geplante Effekt einer solchen Rückkaufaktion ist zunächst, dass der Aktienkurs steigt, weil die Nachfrage an der Börse höher wird. Das ist schön für die Aktionäre, die das Kaufangebot annehmen und einen höheren Börsenpreis einstreichen. Es ist vielleicht auch ganz gut für die verbleibenden Aktionäre, denn die Dividende wird nun unter weniger Anteilseignern verteilt.

Fast noch schöner ist die Sache für die gehobenen Manager. Ihr Gehalt – vor allem ihre Boni – sind oft an den Aktienkurs gekoppelt. Noch besser, die zurückgekauften Aktien werden ihnen als Bezahlung versprochen, wenn der Aktienkurs über ein bestimmtes Niveau klettert (so genannte Stock-Options).

In den tollen 1990er Jahren der Regierung Clinton in den USA wurde die Praxis perfektioniert. Die Aktienrückkäufe übertrafen 1997 erstmals die reguläre Ausschüttung per Dividende. An der Wall Street und bei den Computer- und Internetfirmen im Silicon Valley wurde die Bezahlung der Manager per Stock-Option zur Regel. Die Aktienkurse stiegen unablässig. Auch in Deutschland wurde während dieser Zeit erstmals seit dem Weltkrieg der Rückkauf eigener Aktien durch die Unternehmensspitzen explizit erlaubt. Im Jahr 2000 krachte der Aktienmarkt endlich ein und 2007 folgte die internationale große Finanzkrise.

Die Regulatoren, die Banken- und Marktaufsicht, heuchelten in den Jahren danach Reue. Der wüsten Spekulation sollte angeblich Einhalt geboten werden. Aber tatsächlich wurde wenig geändert. Das Recht der Unternehmensspitzen, mit dem Geld der Aktionäre und/oder neuen Schulden den Aktienkurs des eigenen Unternehmens in die Höhe zu treiben, wurde nicht angetastet.

Nach der Senkung der Unternehmenssteuern 2017 erreichten in den USA 2018 die Aktienrückkäufe mit über 800 Millarden Dollar neue Rekorde. Sie sind ein Symptom dafür, dass der Gewinnboom wieder volle Fahrt aufgenommen hat. Und selbst die durch teure Rohstoffe und Deindustrialisierung gehandikapten deutschen Kapitalisten ersticken an zu hohen Gewinnen und „müssen“ sie zur Kursmanipulation an der Börse einsetzen.

Lucas Zeise1 sw NEU e1684925875326 - Was tun mit dem vielen Geld? - Aktienkurs, Dividenden, Manager-Boni, Monopolkapitalismus, Umverteilung - Wirtschaft & Soziales

Dieser Artikel erschien ursprünglich am 24.05.2024 in der Zeitung „unsere Zeit“ und wurde von dem Wirtschafts-Experten Lucas Zeise verfasst. Lucas Zeise ist Finanzjournalist und arbeitete bereits für das japanische Wirtschaftsministerium, die Frankfurter „Börsen-Zeitung“ und die „Financial Times Deutschland“.

Freiheit für Julian Assange!

Ein Teilerfolg für Julian Assange: Er darf seine Auslieferung an die USA jrutistisch anfechten!

Beide Richter des Londoner High Court bewerteten die Garantien der USA, für Assange werde im Falle einer Auslieferung an die USA Schutz nach dem Presse- und Meinungsfreiheit garantierenden Verfassungsartikel zukommen, am Montag als unzureichend.

Julian Assange wird in den USA wegen der Veröffentlichung von rund 700.000 vertraulichen Dokumenten über militärische und diplomatische Aktivitäten der USA wegen Spionage in 17 Fällen angeklagt. Assanges Enthüllungsplattform Wikileaks verbreitete Informationen über Kriege vor allem im Irak und in Afghanistan, bewiesen unter anderem die Tötung von Zivilisten und Journalisten durch US-Armeeangehörige, sowie Misshandlung von Gefangenen. Assange drohen bei einer Verurteilung in den USA bis zu 175 Jahre Haft. Nach einer Gerichtsentscheidung hatte die ehemalige britische Innenministerin Priti Patel das Auslieferungsersuchen der USA im Juni 2022 genehmigt und bewilligt. Die Anklage soll aber einen Journalisten, der nicht vor den Herrschenden und der Veröffentlichung ihrer Kriegs- und Korruptionsverbrechen zurückschreckt, mundtot machen – und künftig alle anderen von ähnlichen Vorhaben abhalten.

Wir fordern die sofortige Freilassung von Julian Assange! Die Meinungsfreiheit muss gewahrt bleiben, Kritik darf nicht mundtot gemacht werden!

DEUTSCHE BANK stoppen!

Heute findet die Jahreshauptversammlung der verbrecherischen DEUTSCHEN BANK in FRANKFURT statt. Der Finanzkonzern DEUTSCHE BANK ist eine ernstzunehmende Bedrohung für unseren Blauen Planeten. Er finanziert Landgrabbing, den Bau von Atomkraftwerken und den Waffenhandel. Er ist involviert in den Steuerbetrug mit CO2-Zertifikaten und in den Handel mit faulen Hypothekenkrediten. Er ermöglicht den Reichen unter seinen Kunden die Steuerflucht durch Offshore-Leaks und andere Maßnahmen zur von ihr so genannten „Steueroptimierung“. Nach einer kurzen Pause ist er wieder voll in die Spekulation mit Nahrungsmitteln eingestiegen. Hungersnöte bedeuten für den Konzern also Profit. Auch Umweltschutz und Menschenrechte zählen für ihn nicht. Heute steht die DEUTSCHE BANK auch dafür in der Kritik, dass sie Milliarden in umweltkritische Unternehmen steckt und so unter anderem dazu beiträgt, dass der Blaue Planet untergeht.

ethecon Stiftung Ethik & Ökonomie hat die Großaktinär*innen und Verantwortlichen hinter der DEUTSCHEN BANK bereits 2013 mit dem internationalen ethecon Dead Planet Award geschmäht. in der Begründung heißt es: „Verantwortlich für Entscheidungen und Handeln der DEUTSCHEN BANK sind die GroßaktionärInnen und das leitende Management. Ihnen gehört der Konzern. Sie leiten die Firma. Auf deren Konto gehen der Ruin der menschlichen Gesundheit und die Zerstörung der Umwelt im großen til, ja selbst der Tod vieler Menschen. Sie stellen nicht nur eine Gefahr für den Frieden und die enschenrechte dar, sondern auch für die Demokratie, die Ökologie und die Menschheit insgesamt. Sie handeln zum Vorteil persönlicher Macht und privater Bereicherung. Dafür treten sie Moral und Ethik mit Füßen und nehmen den Untergang der Erde als Schwarzer Planet in Kauf. ethecon sieht im Handeln der Großaktionäre, der Vorstandsvorsitzenden Anshu Jain und Jürgen Fitschen sowie des weiteren verantwortlichen Managements einen schockierenden Beitrag zu Ruin und Zerstörung unseres Blauen Planeten hin zu einem Schwarzen Planeten. Für diese erschreckende Missachtung und Verletzung menschlicher Ethik schmäht ethecon – Stiftung Ethik & Ökonomie die Verantwortlichen der DEUTSCHEN BANK mit dem Internationalen ethecon Black Planet Award 2013.“

Weitere Infos zur Deutschen Bank gibt es in unserem Flugblatt und in unserem Dossier.

ethecon fordert: Vergesellschaftung der DEUTSCHEN BANK! Enteignung und maximale Besteuerung ultrareicher Vermögen! Umbau der Gesellschaften weg vom Profitdiktat hin zu Solidarsystemen. Frieden, Umweltschutz und soziale Sicherheit sofort!

Pressemitteilung: Den Kriegskonzern RHEINMETALL stoppen!

Anlässlich der Jahreshauptversammlung forderte ethecon Stiftung Ethik & Ökonomie heute vor der RHEINMETALL Konzernzentrale mit dem Profitsystem zu brechen, um RHEINMETALL zu stoppen, zu entwaffnen und in einen Betrieb zum Wohle der Menschheit und des Planeten zu wandeln!

Der ethecon Geschäftsführer Marius Dornemann stellte klar: „RHEINMETALL ist ein Kriegskonzern. Das müssen wir klar und deutlich sagen! RHEINMETALL verdient sein Geld mit Mord und Totschlag auf der ganzen Welt, mit der Entzweiung der Völker und der Militarisierung auf diesem Planeten. RHEINMETALL bringt Tod, Elend, Not und Zerstörung über die Menschheit sowie den Ruin der Umwelt und des Klimas über den Planeten. Kurzum: RHEINMETALL begeht gigantische Verbrechen gegen Mensch und Umwelt! Ein Konzern wie RHEINMETALL ist im Kapitalismus einzig und allein dafür da, Profite zu generieren. Maximale Profite! Dafür und für nichts anderes als diese maximalen Profite haben die Besitzer*innen von RHEINMETALL ihr ‚Kapital‘ in den Konzern gesteckt, dafür bezahlen sie ‚ihre‘ Vorstände und ‚ihre‘ Manger*innen bei RHEINMETALL, dafür haben sie den sogenannten Aufsichtsrat im Konzern installiert, der aufpassen soll, dass auch wirklich die maximal möglichen Profite sprudeln. Und dafür geht dieser über Leichen!“.

ethecon Stiftung Ethik & Ökonomie stellte die Großaktionär*innen, die Vorstände und die Aufsichtsräte von RHEINMETALL bereits im Jahre 2017 für ihre Verbrechen mit dem Internationalen ethecon Dead Planet Award an den internationalen Pranger.

In der Begründung für die Verleihung des Schmähpreises heißt es zusammenfassend: Die verantwortlichen Personen von RHEINMETALL „agieren rücksichtslos, durchtrieben, von niederen Motiven geprägt und einzig zum persönlichen Vorteil. Sie nehmen für ihre Macht- und Profitinteressen bedenkenlos den Untergang des Planeten als schwarzer Planet in Kauf. Sie zeigen, was gemeinhin Skrupellosigkeit und Egoismus genannt wird.“

Gründungsstifter Axel Köhler-Schnura macht noch einmal deutlich: „Die Kriege von RHEINMETALL müssen gestoppt werden. JETZT. Die Ukraine braucht friedliche Lösungen! Der Nahe Osten braucht friedliche Lösungen. RHEINMETALL-Waffen haben in Asien, Afrika, Amerika und Europa NICHTS verloren. RHEINMETALL-Maschinen müssen für die Zukunft und das Wohl der Menschheit und des Planeten produzieren! Alles für den Frieden!“

ethecon wird dem Konzern auch in den kommenden Jahren auf die Finger schauen und kein Verbrechen des RHEINMETALL Konzerns unerwähnt lassen sowie jeden Protest unterstützen, der sich gegen diese wendet. Denn das Geschäft mit dem Krieg kann nur verhindert werden, wenn der Widerstand auf der Straße, bei Demos und Kundgebungen wächst! Nur dann können wir unsere Forderung nach demokratischer Kontrolle und ausnahmsloser Einstellung aller Rüstungsexporte von RHEINMETALL sowie die Umwandlung der Waffen- und Rüstungsproduktion des Konzerns hin zur Produktion von zivilen Gütern umsetzen!

Düsseldorf, 14.05.2024

RHEINMETALL STOPPEN

Liebe Freundinnen und Freunde,
liebe Mitglieder,

am kommenden Dienstag, den 14.05. wird bei RHEINMETALL gefeiert. An diesem Tag findet die Hauptversammlung statt und die Gewinne werden ausgeschüttet.

RHEINMETALL ist ein Kriegskonzern. 
RHEINMETALL verdient sein Geld mit Mord und Totschlag, mit der Entzweiung der Völker und der Militarisierung des friedlichen menschlichen Miteinanders auf diesem Planeten. Damit begeht RHEINMETALL gigantische Verbrechen gegen Mensch und Umwelt!
Das ist der Grund, weshalb ethecon Stiftung Ethik & Ökonomie im Jahr 2017 die Großaktionär*innen, die Vorstände und die Aufsichtsräte von RHEINMETALL für ihre Verbrechen mit dem Internationalen ethecon Dead Planet Award an den internationalen Pranger gestellt haben und sie seitdem nicht aus den Augen lässt.

Ein Konzern ist im Kapitalismus einzig und allein dafür da, Profite zu generieren. Maximale Profite! Und das feiern die Großaktionärinnen und Großaktionäre am Dienstag bei ihrer Hauptversammlung.

ethecon ruft alle Mitglieder und Unterstützer*innen auf sich an den Protesten gegen die RHEINMETALL Hauptversammlung zu beteiligen.

Wie schon in den vergangenen Jahren werden wir auch zur diesjährigen Hauptversammlung an den Protesten vor der Zentrale des Konzerns in Düsseldorf unter dem Motto „Den Händler des Todes stoppen!“ teilnehmen. Neben Reden (u.a. eine Rede von ethecon) wird es dabei auch eine Straßentheater-Aktion geben, in der die skrupellosen Profite des Rüstungskonzerns symbolträchtig verbildlicht werden.

Wann: 14. Mai 2024 um 11.55 Uhr bis ca. 13 Uhr

Wo: Vor der „Rheinmetall“-Zentrale in Düsseldorf (Rheinmetall-Platz 1, 40476 Düsseldorf), Ecke Heinrich-Ehrhardt-Straße/Rather Straße

Wir fordern:

Den Kriegskonzern RHEINMETALL stoppen! Jetzt und sofort! Ohne Wenn und Aber!

Doch um RHEINMETALL zu stoppen, zu entwaffnen und in einen Betrieb zum Wohle der Menschheit und des Planeten zu wandeln muss das Profitsystem weg!

Das Profidiktat muss ersetzt werden durch ein System des sozialen und friedlichen Miteinander!

Mit Solidarischen Grüßen,
Marius Dornemann

Blue Planet Preisträger Jean Ziegler wird 90 Jahre alt

ethecon Stiftung Ethik & Ökonomie gratuliert Jean Ziegler herzlichst zu seinem 90. Geburtstag! Für seine herausragende Leistung menschlicher Ethik zeichnete ethecon  Jean Ziegler bereits 2012 mit dem Internationalen ethecon Blue Planet Award 2012 aus.

In der Begründung heißt es: „ethecon sieht in Jean Zieglers Einsatz gegen Hunger, Ausbeutung und Unterdrückung, in seinem Bemühen gegen Unterdrückung und Profitgier, in seinem Kampf gegen Konzerndiktatur und Kapitalmacht, in seinem anhaltenden Engagement für Menschlichkeit und Gerechtigkeit sowie in seinem Streben, gerade den Menschen aus den Entwicklungsländern eine Stimme zu verleihen, einen ethisch überragenden Beitrag zu Rettung und Erhalt unseres „Blauen Planeten“.“

Die Laudatio auf Jean Ziegler hielt damals unser Zustifter Prof. Dr. Hans See. Und wie 2012 wollen wir ihn auch zu Jean Zieglers 90. Geburtstag zu wort kommen lassen und veröffentlichen daher hier seine Hommage an ihn:

Jean Ziegler zum 90 sten Geburtstag – eine Hommage

Es ist eine große Herausforderung, einem Menschen zum 90sten Geburtstag zu gratulieren, sein Leben und Lebenswerk zu würdigen, ohne bei Leserinnen und Lesern den Eindruck zu hinterlassen, es handele sich um einen vorgezogenen Nachruf. Denn ein Nachruf ist diese Hommage auf Jean Ziegler nicht. Er ist nur ein Vierteljahr älter als ich und sein Kampfgeist brennt noch immer lichterloh.

Manch einen Jugendlichen lässt der „Rebell“ sehr alt aussehen. Jean Ziegler, dessen Bücher, Aufsätze und Interviews ich seit einem halben Jahrhundert gründlich lese, dessen Fernsehauftritte wie auch die teils gehässigen Filme, die in TV-Kultursendungen wie „Titel, Thesen, Temperamente“ über ihn gezeigt werden, habe ich 1991 erstmals in Genf persönlich getroffen, um ihn über die Gründung der Bürger- und Menschenrechtsorganisation Business Crime Control zu informieren und um Mitarbeit zu bitten. Er war sofort bereit. Danach traf ich ihn immer wieder auf Veranstaltungen oder Kongressen, auch mehrfach privat, von Mails und Telefongesprächen abgesehen. Ich habe selten einen so warmherzigen Menschen kennengelernt.

Aber er ist ein harter Kämpfer, vor allem, wenn es um Recht und Gerechtigkeit geht. Hier ein Beispiel: Als der Ostblock zusammengebrochen war, Ende August 1991, schrieb ein anonymer Passant mit Pinsel und weißer Farbe an das Moskauer Marx-Denkmal: „Proletarier aller Länder, vergebt mir.“ Kurz darauf erschien in Frankreich, ein Jahr später auch in Deutschland, Jean Zieglers Buch: „Marx, wir brauchen Dich – Warum man die Welt verändern muss“. Im Vorwort zur deutschen Ausgabe nimmt Ziegler Marx in Schutz: „Der anonyme Passant irrt.“ Marx muss sich für Lenin, Stalin und die ganze russische Revolution ebenso wenig entschuldigen wie die Evangelisten für die spanische Inquisition und das, was die Christen beim Aufbau ihrer Kolonialreiche an Verbrechen begingen.

Den Zusammenbruch des kommunistischen Weltreichs vor Augen, sah Ziegler die Bestätigung seiner schon lange vorher geübten Kritik an diesem Sowjetsystem. Es hat zwar manches erreicht und verbessert, aber die in diesem System begangenen Verbrechen haben mit Marx und dessen Vorstellungen von einer kommunistischen Welt so gut wie nichts zu tun. Er bestreitet, dass die kommunistische Parteidiktatur von Marx gerechtfertigt worden wäre, dass Honecker, Hoffmann, Wolf, die anfangs noch kämpferische Idealisten waren wie die meisten anderen Kommunisten, Politik im Sinne des von Marx vertretenen Kommunismus gemacht haben. Ziegler bezweifelt sogar, dass sie, auch wenn sie sich immer wieder auf Marx beriefen, ihn jemals richtig verstanden haben. Marx war aus Zieglers Sicht eben kein Lenin, kein Mao, sondern ein Erbe der Französischen, der republikanischen Revolution.

Dass Ziegler im Augenblick dieses welthistorischen Ereignisses es für den Imperativ unserer Epoche erklärte, Marx vor denen zu verteidigen, die den Zusammenbruch des kommunistischen Imperiums nutzten, ihn auf den Müllhaufen der Geschichte zu werfen, gehört aus meiner Sicht zu den zwar kaum beachteten, aber größten Wagnissen eines linken Intellektuellen dieser Umbruchzeit. Das war Zivilcourage auf Weltniveau. Jean Ziegler setzte damals allerdings noch auf die in der Opposition verharrende Sozialdemokratie. Er schrieb: „Würde sie zu einem luziden Marxismus des Widerstands, so wie ihn ihr Gründer August Bebel praktiziert hat, zurückfinden, würde sich das Schicksal unseres Kontinents zum Guten wenden.“

Ich muss an dieser Stelle nicht daran erinnern, man hat es ja täglich vor Augen, was aus der SPD Bebels, zunächst unter Bundeskanzler Gerhard Schröder, jetzt unter Olaf Scholz, geworden ist. Ziegler hätte heute das Recht zu sagen: Hab ich es nicht gesagt? Die SPD hat ihre große Chance verpasst. Ich, derselbe Jahrgang wie Ziegler, ein halbes Jahr verängstigtes Mitglied der Hitlerjugend, 12 Jahre Werkzeugmacher, Gewerkschafter der IG-Metall, danach Studium bei Adorno, Carlo Schmid, Werner Hofmann, promoviert bei Abendroth, habe 45 Jahre meines Lebens durch beharrliche innerparteiliche Opposition versucht, diese vorhersehbare Abwärtsentwicklung der SPD abzuwenden. 2006 habe ich aufgegeben.

Ziegler gehört zu jenen, die in ihrer Jugend nicht links waren und dennoch ein Herz hatten. Er gehört aber auch zu den Wenigen, die, erwachsen geworden und zu Verstand gekommen, ihr Herz behielten und immer deutlicher nach links rückten. Seine gutbürgerliche Herkunft aus dem calvinistischen Thun legte das bildungsbürgerliche Fundament seines Linksseins, auch seines Gedankenradikalismus. Er war in jungen Jahren schon rebellisch und aufgeladen mit einem explosiven Gerechtigkeitssinn, aber eher konservativ, noch hinreichend angepasst und auch anpassungswillig. So wollte er zur Armee, wurde aber ausgemustert und soll darüber bitter enttäuscht gewesen sein.

Nach einem abenteuerlichen Studium der Juristerei und Soziologie, nach den Universitäten Bern und Genf studierte er in Paris und New York. Auf dem Rückweg von dort machte er einem Abstecher nach Kuba, wo er Che Guevara kennenlernte, von dem damals kaum ein Europäer gehört hatte. Dann ging Ziegler als Assistent eines UNO-Sonderberichterstatters zu einem längeren Aufenthalt nach Zaire, in das ehemalige Belgisch-Kongo, wo er entsetzliche Brutalitäten erlebte. Ich empfehle seinen einzigen Roman zu lesen. Titel: „Das Gold von Maniema“. Darin hat er seine dramatischen Erlebnisse realitätsnah nacherzählt.

Später wurde Ziegler Mitglied der Schweizer Sozialdemokratie und war jahrelang als ihr Abgeordneter im Bundesparlament. Man lese dazu im Buch seines Genossen und Kollegen Helmut Hubacher „Tatort Bundeshaus“ (Bern 1995) das Kapitel über Jean Ziegler, Dann weiß man, dass er ein Mensch war und ist, den die politische Rechte hasste, die Linke liebte, auch wenn er sie gelegentlich überstrapazierte, frustrierte und schockierte und seine Fraktion, als ihn die beleidigten „Geier“ des Bankenbanditismus verklagten, mit der verhängnisvollen Aufhebung seiner parlamentarischen Immunität bestrafte.

Viele marxistische Linke, anfangs auch mich, irritierte Ziegler, als er öffentlich bekannte: „Ich bin Kommunist und glaube an Gott“. Dieser Themenkomplex, der in der gesamten Geschichte der Arbeiterbewegung eine zentrale Rolle spielte und noch immer spielt, wurde von Linken, die sich auf den Hauptwiderspruch, den zwischen Kapital und Arbeit konzentrierten, immer als „Nebenwiderspruch“ abgetan. Als ob das nicht schon falsch genug gewesen wäre, wurde von den Linken, auch noch begründet mit einem falschen Marx-Zitat, dass nämlich „Religion Opium für das Volk“ sei, nicht nur die antisozialistische Kirchenpolitik und das Kapital, sondern auch der Glaube der Massen an einen Gott oder an ein Leben nach dem Tod bekämpft.

Diesen Glauben hat Marx jedoch sehr ernst genommen. Er schrieb: „Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüth einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volks. Die Aufhebung der Religion als des illusorischen Glücks des Volkes ist die Forderung seines wirklichen Glücks.“

Eine derart einfühlsame Definition der religiösen Gefühle und Bedürfnisse des Menschen bietet weder Christen Grund zur Sozialisten- und zur Kommunistenjagd, noch liefert es Sozialisten und Kommunisten Gründe, Christen wegen ihres Glaubens zu verfolgen. Jedenfalls kann Karl Marx, der mit dieser empathischen Erklärung der Religion vor allem beabsichtigte, die alte, von bürgerlichen Aufklärern in die Welt gesetzte „Priestertrugtheorie“ zu widerlegen, nicht für die Feindschaft zwischen gottgläubigen Christen und gottlosen Kommunisten verantwortlich gemacht werden. Kirchen- und Parteichristentum erhoben das Kapital zu ihrem Gott und formierten sich zu einer antikommunistischen Avantgarde gegen Marx, gegen die marxistischen Arbeiterbewegung und alle, die das herrschende Elend mit der täglich – auch ohne marxistische Theorie – erfahrbaren und auch erkennbaren Tatsache erklärten, dass die Zwänge des kapitalistischen Systems nicht nur einen nie dagewesenen Reichtum, sondern auch durch rigorose Ausbeutung Hunger und weltweites Elend verursachen. Das berechtigt Ziegler, von einer „kannibalischen Weltordnung“ zu sprechen.

Wer für diesen Kapital-Kannibalismus das Privateigentum an Produktionsmittel verantwortlich macht, Enteignung oder qualifizierte Mitbestimmungsrechte der abhängig Beschäftigten oder gar des Staates, also eine Ausweitung der bestehenden Staatsdemokratie zu einer wirksamen Wirtschaftsdemokratie fordert, wird – obgleich die bundesdeutsche Verfassung dies nicht hergibt – wie ein Verfassungsfeind behandelt. Verfassungsfeindlich ist es aber, dass ab einem bestimmten Entwicklungspunkt der Kapitalkonzentration die demokratiefreie Privatwirtschaft sich demokratisch legitimierte Staaten unterwirft, dass immer mehr Staatsfunktionen zur privaten Bereicherung preisgegeben werden, dass die kapitaldemokratischen Staaten insgesamt tendenziell privatisiert und kommerzialisiert, also auch entdemokratisiert werden, dass sich ein planetarisches Macht-, Herrschafts- und Ausbeutungskartell etabliert, das Staatsgewalt für private Interessen reicher Minderheiten instrumentalisiert. Wer diese Entwicklung bekämpft, bekommt es nach wie vor auch mit der Kirche zu tun, die demnach ja keine Kirche der Armen, auch keine „Kirche von unten“ ist, wie sie von sich behauptet und viele glauben, sondern – trotz ihrer caritativen und diakonischen Leistungen – nach wie vor eine Kirche der Reichen und der Superreichen.

Es besteht also nicht der geringste Zweifel, dass die Kirchenoberen für den inhumanen, erbarmungslosen, ich sage, „moralisch gottlosen“, Vernichtungskampf gegen den revolutionären Marxismus und den aus ihm abgeleiteten „wissenschaftlichen Sozialismus“, und dies nicht nur, weil er sich zu einem „gottlosen“ Sozialismus und Kommunismus bekannte, die volle Verantwortung tragen. Ich habe die Zeiten erlebt, in denen Kirchen Hitler zu einem zweiten Messias hochstilisierten, und bin, seit ich erstmals wählen durfte, weder Christ noch Kommunist. Aber ich bin noch Kirchensteuerzahler, weil ich die Sozialarbeit der Kirchen vor Ort unterstützen möchte. Es war Mitten im Kalten Krieg, als der drohende Mauerbau die westdeutschen Politiker zwang, ihre eigenen Bildungsreserven auszuschöpfen, weil absehbar war, dass der Zustrom von qualifizierten Arbeitskräften aus der „DDR“, die man mit Anführungszeichen schreiben musste, demnächst von Walter Ulbricht gestoppt würde.

Jetzt hatte ich als Arbeiter die Chance, das Abitur nachzuholen und zu studieren, mich endlich als Sozialwissenschaftler beruflich mit gesellschaftlichen Problemen und Konflikten zu befassen, also auch mit dem damals besonders aggresiven Kampf der Partei- und Kirchenchristen gegen Sozialdemokraten und Kommunisten. Dem Verhältnis von Kirchen und Kapital auf der einen, Kirchen und Kommunismus auf der anderen Seite habe ich immer höchste Aufmerksamkeit geschenkt. In meinem Buch: Kapital-Verbrechen – Die Verwirtschaftung der Moral, habe ich diesem Thema unter dem Aspekt „Wirtschaftsverbrechen“ mehrere Kapitel gewidmet.

Auch mit dem protestantischen Pfarrer Erwin Eckert habe ich mich intensiv befasst, dessen Leben und Werk Friedrich Martin Balzer dem Vergessen entrissen hat. Eckert wurde 1931 aktives Mitglied der KPD und hielt an seinem Glauben fest. Ein großes Thema, dass von einer sich erneuernden Linken unbedingt aufgearbeitet werden muss. Ebenso bedarf es einer Auseinandersetzung mit der Theologie der Befreiung, die vom polnischen Papst Johannes Paul II. zerschlagen wurde. Zieglers „Liebeskommunismus“ (ich verwende hier einen Begriff Max Webers, den er für das Urchristentum erfand), veranlasste mich, der Frage nachzugehen, ob dieses ursprüngliche Christentum nicht doch eine urkommunistische Form der Kritik an den Eigentumsverhältnissen der herodischen Epoche und der Besatzungspolitik des Imperium Romanum war. Ich sammle dazu, angeregt durch Ziegler, seit ein paar Jahren Material und hoffe, dass ich irgendwann die Zeit finde, es noch gründlicher auszuwerten.

Aber Ziegler, der sich Kommunist nennt und an Gott glaubt, ist immer noch, wenn auch ein kritischer, Sozialdemokrat. In seinem Buch über Marx findet man Sätze wie diese: „Was nützen heute noch jene Intellektuelle, die ihr Wissen und ihre Intelligenz einst in den Dienst der sozialdemokratischen und sozialistischen Bewegung gestellt hatten? Sie haben ihre einstigen geistigen Vorbilder – allen voran Marx – derart verunglimpft, dass sie heute den eigenen Verlust ihres Ansehens erfahren müssen.“ Das ist noch immer aktuell – es kommt aber noch schlimmer. „Ihre Fähigkeit, eine Diskussion zu entfachen und frische Anstöße für eine neue Bewertung der Welt zu geben, ist gleich Null. Dies hat zu einem gewissen Weltschmerz geführt, einer gewissen Verdrossenheit, die durchaus Ähnlichkeit hat mit dem Gefühl der Verbitterung der seit dem Ende des 18. Jahrhunderts endgültig von der Macht ausgeschlossenen Aristokratie.“

Mit Blick auf die französische Linke meinte Ziegler damals, dass die Intellektuellen (unmittelbar nach dem Ende der bipolaren Weltordnung – HS) der Mitte zustreben, das „Verblassen der Dinge“, die „Ära der Leere“ verherrlichen, ja so tun, als ob dieser allgemeine Zerfall „die höchste Stufe der Demokratie“ darstelle. Das traf auch Teile der deutschen Intellektuellen, trifft sie besonders heute, da doch auch hier die Linke im Nichts, in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden droht. Ziegler propagierte dagegen sein Marx-Verständnis, als er schrieb: „Glücklicherweise kennt der Marxismus des Widerstands mehr als nur einen Schachzug, und auf den Trümmern dieses politischen und wirtschaftlichen Verfalls nimmt er uns in die Pflicht, immer wieder von neuem aufzubauen.“

Der Text erschien in Deutschland 1992. Da hatte ich schon mit diesem Neuaufbau begonnen und im März 1991 in der damaligen „Atomskandalstadt“ Hanau die Bürger- und Menschenrechtsorganisation Business Crime Control (BCC) gegründet. Danach hatte ich Jean Ziegler in Genf besucht, um ihm über die BCC-Gründung zu berichten und ihn zu bitten, unsere neue linke Aufklärungsorganisation zu unterstützen. Auf eine Formel gebracht, ging und geht es noch heute darum, für eine kriminalpräventive Wirtschaftsdemokratie zu kämpfen, statt Zeit und Kräfte für ein wirkungsloses Strafrecht gegen Korruption, Geldwäsche und Wirtschaftskriminalität zu verschwenden. Ziegler war – ohne sich dessen bewusst zu sein – ein wichtiger Initiator der BCC-Gründung.

Auch Eckart Spoo setzte damals auf einen Neuanfang. Nachdem er an unserem ersten großen Kongress über Wirtschaftsverbrechen in Frankfurt am Main teilgenommen und mich zu einem Vortrag über die „Geldmacht Deutschland“ nach Hannover eingeladen hatte, wurden wir enge Freunde. Mir wurde klar, dass auch Eckart Spoo zu denen gehörte, die – ähnlich wie Ziegler – auf die radikaldemokratischen Anfänge der bürgerlichen Revolutionen, zum Beispiel auf Freiherrn von Knigge, aber auch auf Carl von Ossietzky setzten. Es ging zunächst einmal nur darum, das linke geistige Erbgut vor denen zu retten, deren abgrundtief unanständiges Marxismus-Bashing, eine Übersteigerung des bis zum Mauerfall alltäglichen christlichen Antikommunismus, zu jener fatalen Entwicklung den Treibstoff lieferte, die inzwischen sogar von den Antikommunisten selbst als Bedrohung empfunden und – wenn auch noch halbherzig – bekämpft wird.

Spoo und sein Freundeskreis zeigten sich damals sehr besorgt darüber, dass das vereinigte Deutschland – ob es wolle oder nicht – in absehbarer Zeit wieder eine Weltmacht werde. Die Vorträge dieser Veranstaltungsreihe sind heute aktueller als damals. Sie erschienen unter der Überschrift: „Weltmacht Deutschland?“ (1996 im Donat Verlag). Ein Jahr nach Erscheinen dieses von Dietrich Heimann, Eckart Spoo und anderen herausgegebenen Büchleins, gründete Eckart Spoo die Zeitschrift „Ossietzky“. Ich darf hier also in Dankbarkeit festhalten, dass Jean Ziegler an der Gründung von Business Crime Control unmittelbar, vermittelt über mich auch ideell an der Gründung des Ossietzky mitgewirkt hat. Dafür und für seine langjährige Freundschaft möchte ich ihm ganz herzlich danken und ihm wünschen, dass die inzwischen – nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa und vielen Teilen der Welt – in eine schwere Krise geratene Linke sich stärker mit Zieglers „Marxismus des Widerstands“ befasst und bald wieder so stark wird, dass sie wenigsten die schlimmsten Konsequenzen der heutigen Globalkapitalpolitik verhindern kann.

Mit seinen Büchern und undogmatischen Zugängen zum postkommunistisch-globalen Finanzkapitalismus, den er als „kannibalische Weltordnung“ qualifiziert, hat Ziegler Ansätze entwickelt, die zeigen, dass und wie die bisher immer wieder Besiegten am Ende doch mehr als nur moralische Siege davontragen können. Um zu diesen Siegen beizutragen, muss sich die europäische Linke allerdings völlig neu orientieren. Eine Beschäftigung mit Zieglers methodischem Ansatz, er beschreibt ihn mit einem Ausdruck von Georges Balandier als „generative Soziologie“, könnte zur Überwindung der ideologischen Hindernisse, die Regenerationsversuchen linker Gesellschaftsanalyse und dem Erarbeiten einer neuen Stufe marxistischer Kritik der politischen Ökonomie im Weg stehen, von großem Nutzen sein. Ich selbst habe diesen Ansatz dazu genutzt, eine Kritik der Theorie und Praxis der kriminellen Ökonomie – sozusagen ein Erweiterungsbau der Kritik der politischen Ökonomie des klassischen Marxismus – vor allem durch Anregungen der von Ziegler favorisierten generativen Soziologie zu entwickeln.

Diese besonders in Frankreich heimische Soziologie hat viele Vorzüge vor den oft allzu routinierten und mechanisierten empirischen Methoden der US-Forschung, die in Deutschland Mainstream ist. Vor allem aber hat sie den Vorteil, dass sie den Hass auf den Westen erzeugenden Eurozentrismus jederzeit verlassen, dass sie die ausbeuterische Zerstörung der Welt des so genannten globalen Südens durch Landgrabbing, Ressourcenraub und totale Überschuldung, Armut und Migration verursachende Entwicklungspolitik ohne Scheuklappen in ihre Forschung einbeziehen kann und niemals den Eindruck zu erwecken versucht, völlig neutral zu sein.

Und noch ein letzter Aspekt: Zieglers traumwandlerischer Tanz über den schmalen Grat der Hoffnung. Er ist faszinierend, mitreißend, ansteckend. Ich zitiere nur einen Satz aus dem letzten Kapitel seines nach meiner Meinung als Lebens- und Erfahrungsbilanz verfassten Buches: „Ändere die Welt – Warum wir die kannibalische Weltordnung stürzen müssen“ (München 2015) Das Kapitel beginnt mit dem Satz: „Gegen die weltweite Diktatur des globalisierten Finanzkapitals, ihrer Satrapen und Söldner, erhebt sich heute ein neues geschichtliches Subjekt: die weltweite Zivilgesellschaft.“ Und wer sich nichts Konkretes darunter vorstellen kann, lese den Teil IV seines 2002 bei Bertelsmann erschienen Buches „Die neuen Herrscher der Welt und ihre globalen Widersacher“. Unter Punkt 3. „Die Fronten des Widerstands“ sind die damaligen Widersacher aufgelistet. Und es dürfte eines seiner schönsten Geschenke zu seinem 90sten Geburtstag sein, dass sich diese Widersacher, meist als Nichtregierungsorganisationen, seitdem nicht nur stark vermehrt, sondern auch radikalisiert und seinen Ideen angenähert haben.

Hans See (19. April 2024)

 

ethecon fordert die sofortige Freilassung von Prabir Purkayastha

Der Journalist Prabir Purkayastha, Mitbegründer des Weltsozialforums in Indien, wird seit über drei Monaten aus politischen Gründen von der Regierung festgehalten.

In einem offenen Brief an den brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva fordern Gründungsmitglieder des Weltsozialforums und langjährige Aktivisten die Freilassung des 78 Jahre alten indischen Journalisten Prabir Purkayastha. Lula da Silva wurde einst selbst aus politischen Gründen inhaftiert.

Prabir gründete 2009 das Portal NewsClick, welches der Regierung seitdem ein Dorn im Auge ist. Denn dort findet regelmäßig kritische und regierungs- und konzernunabägige Berichterstattung statt, wie u.a. zu der größten Chemiekatastrophe der Geschichte der Menschheit in Bhopal.

1984 explodierte die Pestizidfabrik von UNION CARBIDE (2001 durch DOW übernommen) in Bhopal und eine Giftgaswolke zog über die dicht besiedelten Gebiete. Innerhalb weniger Tage starben 8.000 Menschen an dem Gift. Bis heute starben über 20.000 Menschen an den Folgen, über 150.000 sind chronisch krank. Selbst heute noch, in der dritten, jetzt heranwachsenden Generation, sind Zehntausende vergiftet, sterben Menschen. Die Gifte wurden nie entsorgt, sie reichern sich großflächig in den Böden an, verseuchen das Grund- und Oberflächenwasser.

Bereits im Jahr 2015 wurden die Vorstandsmitglieder Andrew N. Liveris und James M. Ringler sowie die GroßaktionärInnen des US-Amerikanischen Chemie-Konzerns DOW CHEMICAL (heute: DOW DUPONT) mit dem Internationalen ethecon Black Planet Award 2014/15 für eine nahezu unendlich lange Liste von Verbrechen gegen Mensch und Umwelt an den Pranger gestellt.

Seit 35 Jahren müssen die Menschen in Bhopal um Gerechtigkeit kämpfen. DOW DUPONT, der verantwortliche Konzern, weigert sich bis heute, die Böden zu sanieren, das Wasser zu entgiften oder die Opfer und ihre Angehörigen zu entschädigen.

Wenn es nach der Regierung von Präsident Modi gingn soll jetzt damit Schluss sein. Deshalb setzt er auf das altbewährte Mittel der politischen Inhaftierung und Unterdrückung.

Doch ohne konzernkritische Berichterstattung kann die Macht der Konzerne nicht gebrochen werden! Deshalb fordern wir die sofortige Freilassung von Prabir Purkayastha!