Fahnenflucht – Krieg & Desertion
Rede von André Shepherd/USA (Irak-Krieg-Deserteuer)
-deutsch von Rudi Friedrich – es gilt das gesprochene Wort-
Edmund Burke1 sagte einmal: Damit das Böse die Oberhand gewinnt, brauchen gute Menschen nichts Anderes als Nichts tun .Diese Worte waren wahr, als er sie sagte – und sie sind es noch heute. Da sich die führende Nation der Welt kopfüber in einen Sumpf von Chaos und Zerstörung stürzt, ist es für uns umso wichtiger als jemals zuvor, aufzustehen und die falsche Annahme anzugreifen, dass “die Macht es schon richtig macht“. Seit den schrecklichen Angriffen vom 11. September führt die USA nicht nur einen Krieg gegen einen vage beschriebenen Feind namens Al-Kaida, sondern gegen die Menschlichkeit an sich.
Dieses Jahrzehnt hat eine humanitäre Katastrophe über Länder wie Irak, Afghanistan, Pakistan, Libanon, Syrien oder Sudan gebracht. Gegenwärtig schlagen die USA und Israel die Kriegstrommeln gegen den Iran, was einen weiteren Zusammenstoß mit Moskau verursachen könnte, bei dem die Europäer im Kreuzfeuer stehen könnten. Millionen haben auf beiden Seiten ihr Leben verloren, mit steigenden Zahlen von Opfern an jedem Tag. Tausende wurden gefoltert, gekidnappt, vergewaltigt oder inhaftiert – alles im Namen der Demokratie. Wir können dies auf keinen Fall so weiter laufen lassen.
Als Deserteur der US-Armee kann ich Euch als erstes sagen, dass wir benutzt und mani-puliert wurden, so dass das menschliche Leid für den Profit ausgebeutet werden konnte. Ich bin nicht stolz darauf, was ich während meines Militärdienstes tat. Die Apache Helikopter, die ich kampffähig hielt, tragen nach wie vor entscheidend dazu bei, dass das Leben unschuldiger Menschen zerstört wird. Uns wurde immer wieder erzählt, dass es unsere Aufgabe war, die bösen Männer der Welt zu fangen, die uns Schaden zufügen wollen. Wir dachten, dass wir die Wächter der Freiheit seien. Versucht einfach mal, meine Überraschung nachzuvollziehen, meinen Schock und meine Wut, als ich herausfand: Das Böse ist nicht der Feind, den wir beseitigen sollten, sondern wir selbst.
Wie kann ich meinen künftigen Kindern erzählen, dass Männer wie ich verantwortlich für die Zerstörung dieser Länder sind, die ohne Nachzudenken den Befehlen zum angeblichen Wohl der Nation folgten. Als ich das entdeckte – und sah, wie gleichgesinnte wie Agustín Aguayo oder Leutnant Watada, vom Militär behandelt wurden, weil sie ähnlich über die Angriffe dachten und es laut sagten, entschied ich, dass ich nicht mehr länger Teil dieses Systems sein kann. Also sagte ich vor zwei Jahren Goodbye zum Militär – und sehr wahrscheinlich auch zu meinem Land.
Lasst mich folgendes anmerken. Auch wenn es so aussieht, als ob ich über die Männer und Frauen der US-Armee schimpfe, muss ich sagen, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Mein Kampf richtet sich nicht gegen das Militär der USA, vielmehr ist es ein Kampf gegen die Führung und die Regierung in Washington. Meine Zeit im Militär hat eine Reihe von Werten bei mir gestärkt, die mich zu dieser Entscheidung brachten. Mir wurde wieder und wieder von meinen Vorgesetzten beigebracht, dass ich für das stehen soll, was richtig ist, wie auch die Umstände sein mögen. Die Männer und Frauen der Armee sind gute Leute, die einen großartigen Job leisten, der zur Verteidigung des Landes notwendig ist. Das Problem ist für sie das gleiche wie für mich: sie wurden von den Mächtigen getäuscht. Dies ist kein Kampf nur für mich, sondern für alle Menschen, die eine Uniform tragen. Wir haben angenommen, Teil einer Organisation zu sein, die an der Front zur Verteidigung aller steht, wo auch immer wir herkommen. Wie Ihr im Video gesehen habt, bin ich nicht der einzige aus dem Militär, der diese Ansicht hat. Das Problem ist, dass viele Soldaten eine Entscheidung treffen müssen, die sich aus den Konsequenzen ihrer Handlungen ergibt. Viele müssen Familien versorgen. Das macht es für sie schwer, Widerstand zu leisten. Mein Herz ist bei allen von ihnen und ich möchte Ihnen sagen: Gebt niemals auf. Zehntausende, die offen den imperialistischen Aktionen unserer Regierung entgegentraten, werden einen langen Atem haben, um den Verrat an unserer Lebenweise zu beenden.
Neunzehn Monate lebte ich abgetaucht und versuchte ein normales Leben zu leben. Ich kann Euch erzählen, dass das nicht einfach war, aber ich bekam viel Unterstützung von wohlgesinnten Deutschen, denen ich immer dankbar sein werde. Zur selben Zeit verschloss ich meine Augen vor dem, wie sich der Krieg entwickelte und auch was in den USA passierte. Was ich erfuhr war noch beunruhigender. Washington löste nicht nur die Hölle auf Erden für unverdächtige Menschen auf der Welt aus, die Regierung diente einfach nicht mehr dem Willen des Volkes. Es schmerzt mich zu sagen, dass die USA als skrupelloser Staat bezeichnet werden muss. Es ist ein völlig außer Kontrolle geratenes Ungeheuer, das tut was es will, wann immer es will und das dem Willen seiner Bürger trotzt. In meinem Heimatland werden die Rechte der Bürger zunehmend ausgehöhlt. Sogar Kinder werden nach dem verfassungswidrigen Patriot Act inhaftiert. Die Polizei wurde militarisiert, was zu Hunderten von Toten von ansonsten gesetzestreuen Bürgern geführt hat.
Der letzte Tropfen war der Beschluss für die schamlose Verwendung von Steuergeldern für gerade die Firmen, die uns in diese Kriege und die ökonomische Krise geführt haben. Als klar wurde, was da passierte, wusste ich, dass wir nicht einfach herumsitzen und diese Ungeheuerlichkeiten so weiter laufen lassen können. Der Antrag auf Asyl ist eine politische und eine persönliche Entscheidung. Dies und ähnliche Aktionen in Kanada können hoffentlich dazu beitragen, dass Zehntausende von Verweigerern in das Licht der Öffentlichkeit gerückt werden, die auf der ganzen Welt im Untergrund leben und die im letzten Jahrzehnt missbraucht wurden. Vielleicht trägt es auch dazu bei, die US-Militärmaschinerie in die Knie zu zwingen. Meine Motivation rührt nicht nur von dem, was ich gesehen und gelesen habe. Ich traf auch einige Irakis, die wie ich Asyl beantragt haben. Ihre Geschichten zerreißen das Herz. Es sind Augenzeugenberichte über Grausamkeiten, begangen an friedlichen Menschen. Ich fühle, dass es jetzt meine Pflicht ist, ihnen zu helfen, wo immer ich kann. Sie haben unser Mitleid verdient anstatt Bomben. Ob wir erfolgreich sein werden oder nicht, hängt von unserer Entschlossenheit ab und der beharrlichen Unterstützung von jedem und jeder, nicht nur von Veteranen, Soldaten und Aktivisten.
Dieser Konflikt betrifft uns alle, ob Sie nun Amerikaner, Deutscher, Iraker oder Afghane sind. Die Folgen der Tyrannei sind überall in allen Gesellschaft zu spüren. Unseren Aktionen haben nicht nur das Leben außerhalb unseres Landes zerstört, sie haben auch unsere Wirtschaft belastet, und unseren Söhnen und Töchtern geschadet und setzen uns der Gefahr eines weiteren Weltkrieges aus. Ich bin hier, um Euch zu sagen, dass es einen anderen Weg gibt. Jede und jeder von uns hat Anteil daran, was in den kommenden Monaten passiert. Hier in Deutschland kann Druck auf die Regierung ausgeübt werden, der eigenen Verfassung nachzukommen und die USA dazu zu zwingen, ihre militärischen Operationen von Deutschland aus einzustellen und damit Verweigerer Asyl erhalten. Die Amerikaner können ihren Einfluss geltend machen, damit die von ihnen gewählte US-Regierung ihren Weg ändert. Das Geld, dass sich durch die Beendigung der Kriege einsparen lässt, ist mehr als genug, um unsere Wirtschaft vor dem Ruin zu bewahren und auch den Menschen zu helfen, denen diese Regierungen unrecht getan haben. Erst wenn wir erfolgreich sind, kann jeder zu Frieden und Wohlstand zurückkehren.
Wir können uns nicht auf die Politiker verlassen, uns zu retten. Die Regierung unter George W. Bush wurde am 22. Januar diesen Jahres von Barack Obama ersetzt. Änderungen wurden auf den Tisch gelegt, der Krieg in Afghanistan wurde verstärkt, der Krieg in dem zusammengebrochenen Irak wird weitergeführt, es gibt Angriffe auf Pakistan, die Kriegstrommeln gegen Iran und Nordkorea werden gerührt, es gibt eine größere Verschuldung mit der verrückten Idee, dass mehr Schulden das Schuldenproblem lösen werden und eine ganze Reihe weiterer absurder Ideen. Kürzlich wurde erst berichtet, dass wir erneut in Somalia eingefallen sind. Seine Regierung (und der Kongress) haben sich geweigert, diejenigen anzuklagen, die uns hierher gebracht und unsere Leben ruiniert haben, was ihn de facto zu einem Komplizen der Kriegsverbrechen macht, die auf der ganzen Welt wohlbekannt sind. Und er hat den Nerv, die NATO um weitere Truppenunterstützung zu bitten, um die Angriffskriege fortzuführen. Ich applaudiere der NATO, sich hier zu weigern, auch wenn nur ein kompletter Rückzug den Vereinigten Staaten von Amerika zeigen wird, dass sie nicht andere zum Gehorsam zwingen können. Die Realität ist klar: Es wird Veränderungen nur geben, wenn wir sie herbeiführen. Die Tage eines Kindermädchenstaates sind gezählt. Wir haben zu viele Katastrophen erlebt, um es immer noch ignorieren zu können.
In den neun Monaten, die seit meiner Asylantragstellung vergangen sind, sind viele Dinge geschehen. Ich bin wirklich überwältigt von der großen positiven Unterstützung, die ich bislang erhalten habe. Viele Organisationen, wie Connection e.V., das Military Counseling Network, die Tübingen Progressive Americans und andere wie die hier anwesenden Organisationen haben für Aufmerksamkeit auf der ganzen Welt gesorgt. Dieser Fall hat auch weltweit Medienaufmerksamkeit erregt, die sehr interessiert daran sind, zu sehen, wie die deutsche Regierung in diesen Zeiten der Krise dazu steht. Am wichtigsten sind mir die persönlichen Rückmeldungen, die ich erhalten habe. Bei meinen Reisen erfuhr ich, dass viele Menschen meine Ansichten teilen und bereit sind, ebenfalls aktiv zu werden, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Es macht mir große Freude und Hoffnung, zu wissen, dass wir nicht allein in diesem Kampf für Gerechtigkeit und Freiheit stehen. Das gibt mir Mut und trägt mich für den noch langen Kampf. Gegenwärtig befasst sich das Bundesamt für Migration immer noch mit dem Asylantrag und bereitet eine erste Entscheidung darüber vor.
Wenn ich abgelehnt werde, wird der nächste Schritt sein, vor Gericht zu ziehen. Das wäre sehr interessant, weil damit der gesamte Krieg vor Gericht gebracht würde. Ich bitte Euch um all Eure Gedanken und Gebete dafür.
Ich habe auch wunderbare Neuigkeiten mitgebraucht. Im vergangen Monat habe ich geheiratet. Es war der glücklichste Tag meines Lebens. Meine wunderbare Ehefrau macht mich so glücklich, mit ihrem starken Willen, liebenswerten Art und uneingeschränkter Unterstützung. Sie steht zu mir während des gesamten Verfahrens und ich danke Gott dafür, dass es sie gibt. Ich wollte Euch das mitteilen, weil ich weiß, dass viele von Euch wissen wollen, was das für das Asylverfahren bedeutet. Ich kann Euch erzählen, dass es keine Auswirkungen darauf hat. Die USA will weiterhin, dass ich zurückkehre, um eine Strafe zu erhalten, weil ich das Richtige getan habe. Und der Krieg gegen den Terror ist noch nicht beendet. Es gibt Tausende, deren Leben vom Erfolg dieses Falles abhängen – und ich will sie nicht hängen lassen. Deshalb ist es vollkommen logisch für mich, weiterzukämpfen.
Auch Jahre lang hat nun die US-Regierung Millionen von Menschen unter dem Deckmantel der „Freiheit und Demokratie“ in den weltweiten Militäroperationen terrorisiert, besser bekannt als Krieg gegen den Terror. Unschuldiges Blut wurde auf beiden Seiten vergossen, mit schrecklichen Szenen vom Schlachtfeld, die täglich über den Äther flimmern und die Bildschirme füllen. Der unaufhörliche Krieg hat verheerende Konsequenzen nicht nur für die Bevölkerung in Afghanistan, Irak, Pakistan, Syrien, Somalia und Gaza, sondern auch für die Bevölkerung in den sogenannten freien Staaten des Westens. Wir müssen realisieren, dass sich ohne persönlichen Widerstand nichts ändern wird. Glaubt nicht dem Mantra, dass wir diesen Weg gehen müssen, um vorwärts zu kommen. Das ist nichts anderes als eine Lüge, mit der die Mächtigen weiter ihrer Tagesordnung folgen können, um die weltweite Kontrolle zu behalten. Ich rufe die Bürger in allen Ländern dazu auf, ihren Regierungen zu sagen, dass wir keinen weiteren Krieg wollen – und eine friedliche Lösung dieser Probleme verfolgen. Es liegt an uns, dem Volk. Nur wenn wir mit einer Stimme sprechen, können wir die sogenannten Führer der freien Welt dazu bringen, die Terrorherrschaft zu beenden und für ein bessere Zukunft zu arbeiten.
Danke für Eure Zeit und Unterstützung. Möge Gott Euch bei all Euren Bemühungen segnen.