Die Arbeitsgruppe Schweiz – Kolumbien ask! ist eine Menschenrechtsorganisation, die vor 25 Jahren gegründet wurde. Wir geben den kolumbianischen Basisorganisationen, Kleinbauern, Indigenen und Arbeitern eine Stimme und streben Veränderungen gerade auch in der Schweiz an, damit ein gerechter Friede mit umfassender Gültigkeit der Menschenrechte in Kolumbien möglich wird.
In diesem Sinne setzen wir uns für eine kohärente Schweizer Außenpolitik ein, die Menschenrechte gleich stark gewichtet wie das Wohlergehen von Unternehmen mit Sitz in der Schweiz. Die Schweiz hat eine der größten Anzahl Multis pro Einwohner, und insbesondere der rasch gewachsene Rohstoffhandel verbunden mit den Steuervergünstigungen führt zu einem Klumpenrisiko, das die offizielle Schweiz zu wenig ernst nimmt. Obwohl sich die Schweiz für ihre humanitäre Tradition und ihre Menschenrechtspolitik rühmt, ist sie auf einem Auge blind, wenn es um Menschenrechtsverletzungen im Umfeld von Schweizer Rohstoffkonzernen in Ländern wie dem Kongo, den Philippinen, Peru und eben Kolumbien geht. Statt als wichtiger „Home State“ den Firmen klare gesetzliche Grenzen zu setzen und zum Schutz der Arbeiter und lokaler Gemeinschaften und den Gaststaaten mutige Schritte zu machen, fördert die Schweiz lediglich freiwillige und damit unverbindlich schwache Regelwerke zum Schutz der Menschenrechte durch Schweizer Firmen.
Glencore ist in Kolumbien seit 1995 tätig und wurde ein wichtiger Player im Rohstoffgeschäft. Glencore gehört bereits heute zu den drei größten Kohleproduzenten Kolumbiens und besitzt viele weitere Konzessionen für die Suche und den Abbau von Kupfer, Gold und Molybdän. Die Kohlenminen im Tagebau haben einen großen Landverschleiß und schwere Umweltschäden zur Folge. Das Pflanzenwachstum ist durch die Staubbelastung behindert, Dorfbewohner klagen über krankes Vieh, verseuchtes Wasser und verschiedenste Gesundheitsprobleme wie Hautausschläge, Durchfall, Atemwegserkrankungen und permanente Grippesymptome. Wegen der gesundheitsschädigenden Staub- und Feinstaubbelastung hat das Umweltministerium nun Glencore und drei weitere Bergbaukonzerne angewiesen, drei Dorfgemeinschaften umzusiedeln.
Die Kleinstädte und Dorfgemeinschaften im Umfeld der großen Kohlenminen haben vom geförderten Reichtum wenig: die Versorgung mit Basisinfrastruktur (Trinkwasser, Strom, Schulen und Gesundheit) ist prekär, die Steuern und Abgeltungszahlungen versickern in den Taschen korrupter Politiker, die meisten Arbeiter in den Minen kommen von außerhalb der Gegend, weshalb die Bevölkerung bei gleichzeitig steigendem Preisgefüge arbeitslos bleibt und verarmt.
In den letzten Monaten wurden verschiedene Untersuchungen gegen Glencore gestartet, insbesondere im Umwelt- und Steuerbereich. Bereits gebüßt wurde Glencore, weil sie die Kontrolle über mehrere Unternehmen nicht ordnungsgemäß registriert hatte. Nun laufen weitere Untersuchungen des Rechnungsprüfungshofs über die Rechtmäßigkeit der Konzessionsverträge Glencores mit dem kolumbianischen Staat und über mögliche Hinterziehung von Steuern und Royalties. Glencore hatte zwischen 2005 und 2007 drei benachbarte lokale Minen gekauft und erhielt später die Erlaubnis, die drei Minen in einer Abbauoperation mit einer einzigen Umweltlizenz zu vereinheitlichen. Die drei ursprünglichen Unternehmen blieben aber auf dem Papier bestehen und die Produktion der Gesamtmine wird sorgsam unter den dreien aufgeteilt. Dadurch bleiben die Produktionen der einzelnen Minen unter 3 Millionen Tonnen pro Jahr und die Minen bezahlen anstatt 10% nur je 5% Royalties. Da die Arbeiter der drei Unternehmen nach Bedarf auf dem ganzen Gelände eingesetzt werden und weil eines der drei Unternehmen nicht mal Arbeiter und eigene Maschinen hat, hat die Gewerkschaft nun beim Arbeitsministerium beantragt, die drei Unternehmen zu einer Unternehmenseinheit zu erklären. Dadurch könnte die Gewerkschaft die gleichen Arbeitsbedingungen in allen Teilminen durchsetzen.
Die Gewerkschaft Sintramienergética beklagt seit vielen Jahren eine gewerkschaftsfeindliche Haltung von Glencore in Kolumbien. Mit Entlassungsdrohungen und Disziplinarverfahren gegen Arbeiter, die sich gewerkschaftlich organisieren wollen, und willkürlichen Entlassung von Gewerkschaftsführern setzt sie die Gewerkschaften unter Druck. Glencore verletzt damit nicht nur verschiedene ILO-Normen sondern auch die kolumbianische Arbeitsgesetzgebung. Kaum eine Verhandlung über einen neuen Tarifvertrag endete in den letzten Jahren gütlich, meist kam es zu Streik oder es musste ein Schiedsgericht einberufen werden. Seit Mitte Juli 2012 streiken die Arbeiter der Glencore-Tochterfirma Carbones de La Jagua, weil es während der gesetzlichen Verhandlungsfrist zu keiner Einigung gekommen war. Die Glencore-Tochter machte schon im Vorfeld des Streiks massiv Stimmung gegen die Gewerkschaft und den Streik, was angesichts der vielen Drohungen gegen Kolumbiens Gewerkschafter sehr gefährlich ist. Während des Streiks beschuldigte Glencore die Gewerkschaft wiederholt, das Gesetz zu brechen, zu lügen und Gewalt anzuwenden. Keinen dieser Vorwürfe hat Glencore belegen können, vielmehr hat das von ihr angerufene Gericht entgegen des Firmenantrags den Streik für legal und die vermeintlichen Gewaltakte der Gewerkschaft als nicht erwiesen erklärt. Der Streik dauert nun schon über 60 Tage, ohne dass seitens des Unternehmens und des Arbeitsministeriums ein Lösungswille erkennbar wäre. Demgegenüber besteht immer noch die Gefahr einer gewaltsamen Räumung des Streiks durch die Bereitschaftspolizei.
Wir fordern deshalb Glencore auf, in ihrer Geschäftstätigkeit die kritische Menschenrechts- und Gewaltsituation Kolumbiens zu berücksichtigen und ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht nachzukommen, die kolumbianischen Gesetze und die internationalen Arbeitsnormen einzuhalten und sich für einvernehmliche Lösungen mit der Gewerkschaft, den Arbeitern und den lokalen Gemeinschaften einzusetzen.
Glencore erhält nun nach dem Public Eye Award 2008 – dessen Nominierung damals von der ask! ausging – erneut einen Schmähpreis. Einerseits freut es uns, dass ethecon mit dieser Preisverleihung mithilft, die Menschenrechtsverletzungen Glencores erneut öffentlich zu machen und den Druck auf den Konzern aufrecht zu halten. Andererseits macht es uns und die Zivilgesellschaft Kolumbiens sehr betroffen, dass sich in über vier Jahren kaum etwas zum Besseren gewendet hat!