Begründung von ethecon – Stiftung Ethik & Ökonomie für die
Ehrung der Umwelt- und Friedensaktivistin Hanna Poddig (Deutschland)
mit dem Internationalen ethecon Blue Planet Award 2017
Seit frühester Jugend tritt Hanna Poddig aktiv für den Frieden und die Umwelt ein. Sie zeichnet sich dabei durch Prinzipienfestigkeit, Tatkraft und Ideenreichtum aus. Sie bleibt trotz aller Anfeindungen und Repressionen ihren Prinzipien treu. Sie nimmt Zivilcourage ernst und lässt durch wie auch immer geartete Unterdrückung der Kriegstreiber, Ausbeuter und Umweltzerstörer nicht nach. Es ging ihr nie um Rechthaberei und Besserwisserei, sondern darum, Missstände abzustellen und für eine lebenswerte Welt aktiv einzutreten. Sie will verdeutlichen, dass es dabei auf den Einsatz eines bzw. einer jeden Einzelnen ankommt. Und dass tatsächlich auch ein jedEr bedeutsam ist und tätig werden kann. Sie versteht sich als persönliches und nachvollziehbares Beispiel und will motivieren und Impulse geben. Dabei kritisiert sie nicht nur Symptome und Auswüchse, sondern legt auch die Wurzeln offen, das gesellschaftliche Profitsystem, den Kapitalismus. Entsprechend richtet sich Einsatz auch auf einen Wandel der gesellschaftlichen Umstände hin zu einem profitfreien und selbstbestimmten Leben.
Bereits als Kind wurde Hanna Poddig von ihren Eltern politisch geprägt. Sie demonstrierte mit ihnen gegen den Ausbau von Autobahnen, gegen Müllverbrennungsanlagen und Kernkraftwerke.
Der „normale“ Lebensweg ihrer Klassenkameradeninnen und FreundinInnen, der Weg des Darüberhinwegsehens war für sie keine Option. Schon als heranwachsende Frau wählte sie den anstrengenderen Weg des Auseinandersetzung, des Widerstands und der Veränderung.
Nachdem sie in ihrer Schulzeit mit ihrer Klasse einen Film zum Widerstand der Weißen Rose in Zeiten der Hitler-Diktatur gesehen hatte, ärgerte sie sich über ihre MitschülerInnen, die wie selbstverständlich die Frage, ob sie unter solchen Bedingungen wie Sophie Scholl widerständig sein könnten, mit Ja beantworteten. Sie selbst war weitaus ehrlicher, ging bedeutend selbstkritischer mit dieser Frage um und erkannte, dass ihre MitschülerInnen reine Lippenbekenntnisse ablegten, hinter denen keine Substanz und die sich bei erstbester Gelegenheit in Luft auflösen würden.
Zu späterer Zeit schloss sich dieser Kreis einmal in unerwarteter Weise. Hanna kam mit ihren Großeltern in einen ernsten Dialog über ihre Aktivitäten. Zu ihrer Erleichterung und Freude teilten diese ihr mit, dass sie den Widerstand ihrer Enkelin gegen Ausbeutung, Umweltzerstörung und Krieg als eine Fortführung der Familientradition sahen, da sich bereits Hannas Urgroßeltern entschieden gegen die Hitler-Diktatur und den Krieg gestellt hatten und dafür ins KZ verschleppt wurden.
Verantwortung übernahm sie bereits mit 16 Jahren. Damals war sie für die Leitung einer Jugendgruppe des BUND (Bund Umwelt und Naturschutz Deutschland) verantwortlich.
Mit 17 Jahren trat sie der Umweltorganisation Robin Wood bei. Von 2002 bis 2007 arbeitete sie dort aktiv als Kletteraktivistin und wurde trotz ihres jungen Alters in den Vorstand gewählt.
Auch nahm sie an Blockade-Aktionen der Rhein-Main-Airbase teil. Eine Ordnungswidrigkeitsanzeige war die Folge der Aktion. Mit Polizeirepression hat sie zu diesem Zeitpunkt schon öfters Erfahrungen gesammelt. Immer wieder war sie auf Demonstrationen und politischen Aktionen willkürlich festgenommen worden und musste viele Stunden in Untersuchungshaft verbringen.
2004 beteiligte sie sich an einer Aktion, welche das Ziel verfolgte einen Atommülltransporter zu stoppen. Der Atommülltransporter konnte nur mit erheblicher Verzögerung sein Ziel erreichen.
2006 besetzte sie das Brandenburger Tor und enthüllte ein Transparent mit der Aufschrift „Kohle Killt Klima“. Einen Tag vor dem Klimagipfel wollte sie mit diesem mutigen Protest auf die Gefahren der Kohleindustrie aufmerksam machen.
Seit 2007 arbeitete sie als Autorin der (anarchistischen Zeitung) „Graswurzelrevolution“ und in der Redaktion des (basisdemokratischen und herrschaftsfreien) Magazins „Grünes Blatt“ mit.
Wegen einer Blockade wurde sie 2008 zu 90 Tagen Haft verurteilt. Hierbei setzte sie das erste Mal bewusst ihr Leben aufs Spiel. Bei dieser Ankettaktion fixierte sich die junge Frau an die Gleise der Bahnstrecke zwischen Husum und Kiel um einen Bundeswehr-Panzertransport zu stoppen. Mit vier weiteren AktivistInnen, die sie mit Decken, Nahrung und Transparenten unterstützten, schaffte sie es den Zug aufzuhalten und den Transport erheblich zu verzögern. Wegen des entstandenen Schadens an den Gleisen drohte ihr die Deutsche Bahn damit, dass sie den Rest ihres Lebens die Schulden abzahlen müsse.
Trotz der Drohung und der Haftstrafe von 2008 kettete sie sich 2012 erneut an Gleise. Dieses Mal allerdings war es kein Militärtransport sondern ein Urantransport aus der Urananreicherungsanlage Gronau. Sie setzte auch dort ihr Leben aufs Spiel, um für die Umwelt und die Menschen einzutreten. Wegen der Blockade des Urantransports wurde sie zu 110 Tagessätzen Geldstrafe verurteilt. Die bisher höchste je in Deutschland verhängte Strafe wegen einer Blockade.
2009 erschien ihr Buch „Radikal mutig: Meine Anleitung zum Anderssein“. Mit dem Buch beschreibt sie ihr Leben, ihre Motivation sich politisch zu engagieren und klärt über die herrschenden Verhältnisse auf. Sie führt ihre eigene kleine Revolution und möchte möglichst viele Menschen zu selber Nachdenken anregen.
Seit 2012 ist sie aktiv in einem anarchistisches Übersetzungskollektiv engagiert und seit 2014 hält sie regelmäßige Lesungen und gibt Workshops zu sämtlichen politischen Themen.
2017 nahm sie mit einem vielbeachteten Offenen Brief als Aktivistin der Sozialen Bewegungen für Frieden, Menschenrechte und Umweltschutz Stellung zu Polizeigewalt und dem Einsatz für eine Bessere Welt im Rahmen des Treffens der Mächtigen der G20.
Statt ihre Haftstrafen mit (geldwerten) Tagessätzen abzugelten, rückte Hanna immer ins Gefängnis ein. Immer nach der Devise, die von ihren Aktionen verursachten Kosten für die Täter und den die Täter deckenden Staat so hoch wie möglich zu treiben. Daraus entsprang dann auch ihre Idee, die Haftstrafen dann doch nach etwa der Hälfte oder mehr der Dauer abzubrechen und den Rest über eingegangene Spenden zu begleichen. Zugleich verarbeitete sie ihre Erfahrungen in den Gefängnissen aktiv und kritisiert fundamental das Strafsystem.
Bewusst verzichtet Hanna darauf Geld zu verdienen und einem Beruf nach zugehen. Sie definiert den Begriff Arbeit neu und bezeichnet sich selber als Vollzeitaktivistin. Sie hat keinen dauerhaften Wohnsitz und beschafft sich ihre Lebensmittel aus den Müllcontainern der großen und kleinen Supermärkte. Sie möchte sich ihre Unabhängigkeit bewahren und nimmt keine finanziellen Hilfen des Staates in Anspruch.
Neben ihren Tätigkeiten als Aktivistin reist Hanna durch Europa um die internationale Zusammenarbeit für eine Veränderung der Welt hin zu Frieden, Menschenrechten und Umweltschutz zu stärken und durch Vorträge in anderen Ländern globale Zusammenarbeit zu organisieren.
Kuratorium und Vorstand von ethecon erklären:
Die Umwelt- und Friedensaktivistin Hanna Poddig (Deutschland) verteidigt ungeachtet ihrer eigenen Sicherheit Menschen- und Umweltrechte und stellt sich Krieg, Atomindustrie und Staatlicher Gewalt entgegen. Sie tritt nicht nur für die Menschen- und Umweltrechte ein, sondern auch für eine Abschaffung des herrschenden kapitalistischen Systems. Sie handelt zum Vorteil der menschlichen Gemeinschaft. Sie hält Moral und Ethik hoch und stemmt sich gegen den Untergang der Erde als Schwarzer Planet.
ethecon sieht in einer zunehmend auf den Profit als einzigem Kriterium jeglicher Entscheidung und Entwicklung ausgerichteten Welt im Handeln von Hanna Poddig einen herausragenden Beitrag zu Rettung und zum Erhalt unseres Blauen Planeten. Für diese bewundernswerte Pflege und Entwicklung menschlicher Werte ehrt ethecon – Stiftung Ethik & Ökonomie Hanna Poddig mit dem Internationalen ethecon Blue Planet Award 2017.
Der Internationale ethecon Blue Planet Award 2017 an die Umwelt- und Friedensaktivistin Hanna Poddig (Deutschland) wird zusammen mit dem Internationalen ethecon Black Planet Award 2017 an Armin Papperger (Vorsitzender des Vorstands) und Ulrich Grillo (Vorsitzender des Aufsichtsrats) sowie die Großaktionäre Larry Fink (Vorstandsvorsitzender BLACKROCK Inc.) und Paul Manduca (Vorstandsvorsitzender PRUDENTIAL PLC) des Rüstungskonzerns RHEINMETALL (Deutschland) in einem öffentlichen Festakt in Berlin am 18. November 2017 verliehen.
Berlin, Internationaler Tag des Friedens, 21. September 2017