Der geplante Effekt einer solchen Rückkaufaktion ist zunächst, dass der Aktienkurs steigt, weil die Nachfrage an der Börse höher wird. Das ist schön für die Aktionäre, die das Kaufangebot annehmen und einen höheren Börsenpreis einstreichen. Es ist vielleicht auch ganz gut für die verbleibenden Aktionäre, denn die Dividende wird nun unter weniger Anteilseignern verteilt.
Fast noch schöner ist die Sache für die gehobenen Manager. Ihr Gehalt – vor allem ihre Boni – sind oft an den Aktienkurs gekoppelt. Noch besser, die zurückgekauften Aktien werden ihnen als Bezahlung versprochen, wenn der Aktienkurs über ein bestimmtes Niveau klettert (so genannte Stock-Options).
In den tollen 1990er Jahren der Regierung Clinton in den USA wurde die Praxis perfektioniert. Die Aktienrückkäufe übertrafen 1997 erstmals die reguläre Ausschüttung per Dividende. An der Wall Street und bei den Computer- und Internetfirmen im Silicon Valley wurde die Bezahlung der Manager per Stock-Option zur Regel. Die Aktienkurse stiegen unablässig. Auch in Deutschland wurde während dieser Zeit erstmals seit dem Weltkrieg der Rückkauf eigener Aktien durch die Unternehmensspitzen explizit erlaubt. Im Jahr 2000 krachte der Aktienmarkt endlich ein und 2007 folgte die internationale große Finanzkrise.
Die Regulatoren, die Banken- und Marktaufsicht, heuchelten in den Jahren danach Reue. Der wüsten Spekulation sollte angeblich Einhalt geboten werden. Aber tatsächlich wurde wenig geändert. Das Recht der Unternehmensspitzen, mit dem Geld der Aktionäre und/oder neuen Schulden den Aktienkurs des eigenen Unternehmens in die Höhe zu treiben, wurde nicht angetastet.
Nach der Senkung der Unternehmenssteuern 2017 erreichten in den USA 2018 die Aktienrückkäufe mit über 800 Millarden Dollar neue Rekorde. Sie sind ein Symptom dafür, dass der Gewinnboom wieder volle Fahrt aufgenommen hat. Und selbst die durch teure Rohstoffe und Deindustrialisierung gehandikapten deutschen Kapitalisten ersticken an zu hohen Gewinnen und „müssen“ sie zur Kursmanipulation an der Börse einsetzen.
Dieser Artikel erschien ursprünglich am 24.05.2024 in der Zeitung „unsere Zeit“ und wurde von dem Wirtschafts-Experten Lucas Zeise verfasst. Lucas Zeise ist Finanzjournalist und arbeitete bereits für das japanische Wirtschaftsministerium, die Frankfurter „Börsen-Zeitung“ und die „Financial Times Deutschland“.