Ob sie wollen oder nicht
In Kooperation mit internationalen Nicht-Regierungsorganisationen wie Attac, MultiWatch und IBFAN übergab die Stiftung ethecon den internationalen Schmähpreis „Black Planet Award 2007“ an den NESTLÉ-Konzern. Der Preis prangert die Verantwortung der AktionärInnen und des Managements für Ruin und Zerstörung des Blauen Planeten an, was mit vielen Beispielen für Verbrechen gegen die Menschlichkeit, für Umweltzerstörungen und für Ausbeutung belegt wird. Ort des Geschehens war das „Headquarter“ in Vevey/Schweiz. Der Konzern nahm den Preis entgegen, verweigerte jedoch den Dialog.
von Chr. LeMaan
19. Dezember 2007, Vevey, Schweiz. Strahlend blauer Himmel, klirrende Kälte. Das Montblanc-Massiv mit seinen schneebedeckten Gipfeln hoch über dem in der Sonne flirrenden See mit den zwei Namen: „Lac Leman“/“Genfer See“. Ein Dutzend Menschen auf der „Avenue NESTLÉ“. Auf dem Weg zum übergroßen Glaspalast, der so gar nicht zur kleinen Belle-Epoche-Stadt passt. Das im Stadtplan vermerkte „Headquarter Nestlé“, eine Riesen-Fabrik und ein unvermeintliches Lebensmittel-Museum von NESTLÉ beherrschen den malerische zwischen Gebirge und See gelegenen Ort.
Um 14.30 erreicht der Trupp die Konzernzentrale. Ein Transparent wird entfaltet. Auf ihm steht zu lesen: „NESTLÉ – Gefahr für den Blauen Planeten!“ Und: „Black Planet Award 2007 – Der Blaue Planet muss grün bleiben!”
Ortswechsel: Am 01. Dezember 2007 lud “ethecon – Stiftung Ethik & Ökonomie” zum Festakt nach Berlin. Im voll besetzten ehemaligen Premieren-Kino der Ufa folgte ein interessiertes Publikum den Ausführungen von Prof. See zum Thema „Wirtschaft zwischen Demokratie und Verbrechen“. Die erst 2004 gegründete Stiftung mit Sitz in Berlin geht davon aus, dass „die Jagd nach Gewinn und Profit verantwortlich ist für Umweltzerstörung, Ungerechtigkeit und Kriege“. Sie hält es für notwendig, dass „das Primat des Profits gebrochen und ersetzt wird durch die Vorherrschaft des Solidar-Prinzips“.
Der weltbekannte ZERO-Künstler Otto Piene stellte seinen Werkszyklus „Blue Planet/Blauer Planet“ vor. Er folgt dem Motto „Der Blaue Planet muss grün bleiben!“ Seine Kunst inspirierte ethecon zum „Blue Planet Project“, der Vergabe von jährlich zwei internationalen Preisen: Dem „Blue Planet Award“ für herausragendes Engagement zum Erhalt und dem „Black Planet Award“ für herausragende Verantwortung für die Zerstörung des Blauen Planeten. Otto Piene gestaltet jährlich neu den von ethecon gestifteten „Blue Planet Award“, ein wertvolles Unikat des Künstlers.
Prof. Rochlitz stellte Vandana Shiva, die Quantenphysikerin aus Indien, die ihre wissenschaftliche Karriere an den Nagel gehängt hat. Stattdessen setzt sie sich seit vielen bereits Jahren für Gerechtigkeit, Umweltschutz und Frieden ein. Unerschrocken legt sie sich dabei immer wieder mit den großen multinationalen Konzernen an, die sie ebenso wie ethecon verantwortlich macht für Ausbeutung, soziales Elend und Menschenrechtsverletzungen. Prof. Rochlitz ehrte Vandana Shiva als Preisträgerin des internationale Positiv-Preises „Blue Planet Award 2007“ für ihren herausragenden Einsatz für die Rettung und den Erhalt unseres Blauen Planeten.
Prof. Schöndorf befragte in einem satirischen fiktiven Interview den Vorstandsvorsitzenden von Nestlé zu der langen Liste von Vorwürfen, die immer wieder gegen den Konzern erhoben werden. Zu Moral und Ethik gibt Peter Brabeck-Letmathe die ebenso fiktive Antwort: Solche Begriffe „gehören einfach nicht hierhin. … Ökonomie orientiert sich am Profit. Das ist der einzige Maßstab. Ethik gehört auf die Spielwiese der Philosphie, ist etwas für Menschen, die vom Staat alimentiert werden, ohne dass sie in irgendeiner Weise produktiov sind.“ Prof. Schöndorf prangerte die AktionärInnen und das Management des NESTLÉ-Konzerns mit dem internationalen Schmähpreis „Black Planet Award 2007“ an für deren herausragende Verantwortung für den Ruin und die Zerstörung unserer Erde.
In einem „Offenen Brief an die AktionärInnen und das Management von NESTLÉ“ werden zahlreiche Beispiele für Menschenrechtsverletzungen, für Umweltzerstörungen und für zerstörerische Ausbeutung von Mensch und Umwelt im Interesse der Konzernprofite aufgelistet. So verstößt der Konzern anhaltend gegen den Internationalen Kodex für Babynahrung und ist für das Sterben von Säuglingen verantwortlich. NESTLÉ ist in die Ermordung aktiver Gewerkschafter durch kolumbianische Todesschwadronen verwickelt. Der Konzern monopolisiert im Weltmaßstab das Wasser, unterwirft damit eine der zentralen Ressourcen der Menschheit den Bilanzgewinnen und bringt die weltweiten Ernährungsgrundlagen in Gefahr. NESTLÉ strebt ein Monopol bei der Vermarktung gentechnisch veränderter Lebensmittel an und presst diese gegen den weltweiten Widerstand der VerbraucherInnen rücksichtslos in die Märkte.
Zurück nach Vevey: Auf dem riesigen Areal vor dem übergroßen Glasportal des NESTLÉ-Konzerns in Vevey traf die Delegation internationaler Menchenrechts- und UmweltaktivistInnen auf den Repräsentanten des Konzerns. Béatrice Schmid von attac Schweiz, Barbara Rimml von MultiWatch, Daphne La Chavanne vom International Babyfood Action Network, Sandra Ujpétery von NescaFAIR, Franklin Frederic vom brasilianischen Anti-NESTLÉ-Netzwerk, Axel Köhler-Schnura von ethecon und den anderen AktivistInnen wurde jedoch trotz Anmeldung das Gespräch verweigert. Nicht der Vorstandsvorsitzende, Peter Brabeck-Letmathe, begrüßte sie, sondern ein Angestellter der unteren Ränge im schief sitzenden Anzug. Hölzern erklärte er, dass Herr Brabeck-Letmathe verhindert und er zu keinerlei Statements ermächtigt sei. Der „Black Planet Award 2007“ wurde also von NESTLÉ kommentarlos entgegengenommen. Der „Offene Brief“ blieb ohne direkte Antwort.
Axel Köhler-Schnura, Gründungsstifter und Vorstandsvorsitzender von ethecon, erklärte dazu: „Ein Armutszeugnis, dass einmal mehr zeigt, dass der Konzern nicht bereit ist, sich seiner Verantwortung zu stellen. Was allerdings nur die Richtigkeit der Wahl für den Schmähpreis unterstreicht. Doch wenn Herr Brabeck-Letmathe nicht mit uns spricht, so werden wir mit ihm und den AktionärInnen sprechen. Am 10. April 2008 werden wir in Lausanne als NESTLÉ-AktionärInnen den Offenen Brief der Generalversammlung des Konzerns zur Kenntnis bringen. Ob sie wollen oder nicht.“
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